Wissen | Inkjet-Praxis

Kalkulation für Inkjet-Druckereien: Preise bilden – aber richtig

Sorgfältige Kalkulation ist für den Unternehmenserfolg essenziell. Worauf ist zu achten, gerade wenn ein Unternehmen einen größeren Auftrag anbietet?

Die Druckindustrie leidet schon seit vielen Jahren unter kontinuierlich sinkenden Verkaufspreisen. Gleichzeitig steigen die Preise für Vorleistungen ebenso an wie der Investitionsdruck. Fraglich dabei ist, ob diese Entwicklung lediglich den zunehmenden Überkapazitäten folgt oder ob nicht auch zumindest ein Teil des Preisdrucks hausgemacht ist. Tatsächlich ist zu beobachten, dass die Preisspannen, innerhalb derer sich die Anbieter im Rahmen von Ausschreibungen bewegen, erheblich ansteigen. Dies gilt umso mehr, je größer die Projekte werden. Hier stellt sich oft die Frage, wie Preisdifferenzen von 30 Prozent und mehr zustande kommen, wenn davon auszugehen ist, dass die zur Produktion eingesetzten Technologien genauso vergleichbar sind wie die Bezugspreise für Vorleistungen. Hier bieten sich grundsätzlich zwei Ursächlichkeiten an, die jedoch zu ein und demselben Ergebnis führen: falschen Preisen.

Richtig anbieten, sicher kalkulieren bei Digitaldruck-Aufträgen 

Gerade bei Großprojekten kommt der genauen Beschreibung der angefragten Leistungen seitens des Auftraggebers entscheidende Bedeutung zu. Wenn hier seitens des Druckdienstleisters nicht dezidiert nachgefragt wird, werden scheinbar unwichtige Nebenleistungen vergessen und verhageln am Ende die Nachkalkulation. Zu diesen Nebenleistungen zählen jedoch nicht nur Produkte und Dienstleistungen, sondern auch Faktoren wie Vorleistungsanteil, Auftragslaufzeit, Logistik, Zahlungsbedingungen und Gewährleistungsfragen. Sind diese Punkte nicht bereits im Anfragestadium geklärt, kann es zu erheblichen Verzerrungen in der Kalkulation kommen. Was die Berücksichtigung dieser Faktoren betrifft, ist es zudem von großer Bedeutung, ob das anbietende Unternehmen über eine funktionierende Kostenrechnung verfügt oder nicht. Ist das nicht der Fall, besteht eine verhältnismäßig hohe Fehlerwahrscheinlichkeit, da das betriebswirtschaftliche Grundgerüst des Unternehmens dann in der Regel nicht vollständig bekannt und zum Zweck der Kalkulation abgebildet ist. Gerade bei den Maschinenstundensätzen werden oft falsche Daten zugrunde gelegt. So erfolgt trotz der Verwendung einer Vollkostenkalkulation keine Verrechnung der Verwaltungs- und Vertriebskosten. Wartungsverträge, Kosten für Reparatur und Instandhaltung von Digitaldruckmaschinen werden ausgeblendet und nicht verrechnet, die Nutzungsdauer wird mit fünf und mehr Jahren angesetzt, obwohl es auf Grund der technologischen Entwicklung ganz klar geboten scheint, gerade Digitaldruckmaschinen kalkulatorisch auf drei, maximal vier Jahre abzuschreiben. Das Ergebnis sind völlig unrealistische, weil zu niedrige Stundensätze. Diese Fehler fallen naturgemäß auch bei der Nachkalkulation, so sie denn überhaupt vorhanden ist, nicht auf, da hier dieselben Stundensätze wie in der Vorkalkulation in Ansatz gebracht werden. Die Wirkung kommt meist zeitverzögert, wenn sich die Maschineninvestitionen nach ein bis zwei Jahren negativ auf Liquidität und Ertrag auswirken, obwohl das anhand der unter Umständen hohen Auslastung nicht zu erwarten war. Daher ist es auch ein Irrglaube, dass eine funktionsfähige Kostenrechnung nur für Großbetriebe notwendig und leistbar ist. Vielmehr bildet sie immer die Grundlage für eine einwandfreie und marktgerechte Preisbildung. Außerdem eröffnen über die Verbände der Druckindustrie mögliche Vergleiche die Option, die Marktfähigkeit der eigenen Kostenstrukturen zu überprüfen.

Alle Kosten bei der Kalkulation von Digitaldruck-Aufträgen berücksichtigen

Grundlage ist eine Umsatz-, Kosten- und Ertragsplanung, aus der die voraussichtliche Auslastung der einzelnen Kostenstellen im Unternehmen abgeleitet werden kann. Während die Arbeitskosten der Produktion den einzelnen Kostenstellen direkt zugerechnet werden können, erfolgt die Verrechnung der Verwaltungs- und Vertriebskosten über einen Schlüssel oder aber über einen globalen Aufschlag auf die betriebliche Wertschöpfung. Letztere Variante ist zu bevorzugen, da sie wesentlich transparenter ist und so verhindert, dass gerade bei Großprojekten ein zu hoher Verwaltungsanteil verrechnet wird. Zudem ist so auch die Ermittlung von kalkulatorischen Preisuntergrenzen und Deckungsbeiträgen einfach möglich. Der guten Ordnung halber sei darauf hingewiesen, dass die Vollkostenrechnung natürlich nicht gerade die Krone der Kostenrechnung ist, da sie besonders im Hinblick auf die Verrechnung der Gemeinkosten ebenfalls fehleranfällig ist. Jedoch ist sie gerade für kleinere Betriebe zu bevorzugen, da sie leicht aufzubauen und somit im Handling einfacher ist als Teil- oder Plankostenrechnungssysteme. Das allein löst aber die vielfältigen Aufgabenstellungen bei großen Projekten mit einem Volumen von mehreren hunderttausend Euro nicht.

Gerade kleinere Unternehmen, die, wie in der Druckindustrie durchaus üblich, nicht über eine ausreichende Kapitalausstattung verfügen, berücksichtigen diese Tatsache dennoch nicht innerhalb der Auftragsvorbereitung. Wenn lange Fertigungszeiten und Zahlungsbedingungen von bis zu 90 Tagen bei Konzernkunden zusammentreffen, muss ein Auftrag bis zu fünf Monate vorfinanziert werden. Wenn dann versäumt wurde, die Voraussetzungen dafür über eine Zwischenfinanzierung und/oder über die Anpassung der Zahlungsziele bei Lieferanten zu schaffen, klafft schnell eine Liquiditätslücke. Probleme mit der Hausbank, eine Herabstufung des Ratings oder aber auch Sperrvermerke bei Kreditversicherern können die Folge sein. Deshalb ist es wichtig, bei großen Projekten immer den Zeitablauf im Blick zu haben. Unter Umständen ist die Einbeziehung von Kollegenbetrieben schon deshalb sinnvoll, weil so der Fertigungsprozess beschleunigt und der Vorfinanzierungszeitraum begrenzt werden kann. Wenn der Kollege zudem Partner ist, wird er auch seine Zahlungsbedingungen modifizieren und so einen Teil der Vorfinanzierungslast mittragen. Jedoch gilt auch hier: Die Kosten für die Vorfinanzierung sind unbedingt bei der Preisbildung zu berücksichtigen. Dabei ist es unerheblich, ob tatsächlich eine Finanzierung in Anspruch genommen werden muss, bei Lieferanten durch Ausschöpfung von Nettozielen ein Skontoverlust entsteht oder aber – bei komplett eigenkapitalfinanzierten Unternehmen – ein Zinsertragsverlust die Folge ist.

Bei der Kalkulation von Druckaufträgen alle Faktoren berücksichtigen

Zusammengefasst bedeutet dies, dass das Projektmanagement sich bei Druckaufträgen nicht mehr allein auf technische Fragestellungen beschränken darf. Kaufmännische Aufgaben sind hier mindestens gleichwertig zu behandeln. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Kostenstrukturen, mit Planungsrechnungen für ein oder mehr Jahre und die Generierung von entsprechenden Stundensätzen bildet dabei nur die Grundlage. Zusätzlich müssen jedoch die genannten auftragsspezifischen Faktoren berücksichtigt werden. Es scheint überdies ratsam, bereits im Vorfeld darüber nachzudenken, wie mit Verzögerungen im Projektablauf umzugehen ist. Dafür sollte man einen Plan B in der Tasche haben. Freilich bleibt natürlich die Frage offen, ob eine kaufmännisch einwandfreie Preisbildung am Markt immer umsetzbar ist. Derzeit scheint es so, dass der europäische Binnenmarkt und der weiter zunehmende Kapazitätsüberhang in der deutschen Druckindustrie so manche kaufmännische Überlegung ad absurdum führen. Dennoch gewährleistet eine kaufmännisch einwandfreie Preisbildung zumindest, dass man erkennt, wie dünn das Eis ist, auf dem man sich bewegt. (Alexander W. Bohlender)

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