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Leichter fliegen dank gedruckter Elektronik

Geringes Gewicht, Verzicht auf Kabel und eine hochautomatisierte Fertigung maximal individualisierter Bauteile: Die gedruckte Elektronik bietet der Luftfahrtbranche viele Vorteile. Dennis Hahn vom Flugzeugbauer Airbus und Max Seißler vom Beratungs- und Technologieunternehmen Altran gaben auf dem Lopec-Kongress im März in München einen Überblick über die besonderen Anforderungen an fliegende Bauteile. Mehr in nachfolgendem Interview.

Airbus Lufttaxi, leichter dank gedruckter Elektromik
Airbus stellte in Ingolstadt im Frühjahr 2019 sein Luft-Taxi Projekt vor. Gedruckte Elektronik wird auch bei diesem Projekt für Gewichtsersparnis sorgen

Gedruckte Elektronik stand im Mittelpunkt der LOPEC-Fachmesse die im März in München stattfand. Für Dennis Hahn (Airbus) und Max Seißler (Altran) sind Gewicht und Zuverlässigkeit Herausforderungen bei der Entwicklung gedruckter Elektronik für Flugzeuge am Airbus-Standort Hamburg.

 

Seit wann denkt die Luftfahrt an gedruckte Elektronik?

Dennis Hahn: Hochschulforscher haben schon vor 20 Jahren erkannt, dass gedruckte Elektronik für den Flugzeugbau interessant ist und ihre Ergebnisse bei Airbus vorgestellt. Die Materialien entsprachen damals aber noch nicht den extrem hohen Sicherheitsanforderungen der Luftfahrt. Seitdem hat sich viel getan. Zusammen mit zwei Fraunhofer-Instituten und Altran haben wir Demonstratoren ent­wickelt und gemeinsam mit Altran weisen wir gerade nach, dass die gedruckte Elektronik reif ist für An­wendungen in der Luftfahrt.

 

Welche Anforderungen müssen die Materialien erfüllen?

Hahn: Wir untersuchen zum Beispiel die Entflammbarkeit. Dafür werden die Folien, auf die wir die Elektronik drucken, für 15 Sekunden über eine offene Flamme gehalten, wieder entfernt und müssen sich, wenn sie Feuer gefangen haben, innerhalb von 14 Sekunden selbst löschen – ein harter Test für Kunststoffe. Wie sich eine Kombination aus Folie, Tinte und Coating verhält, können selbst unsere Brandexperten nicht vorhersagen. Max Seißler: Wir haben zwar von Anfang an versucht, Risiken zu minimieren und Materialien verwendet, die bereits luftfahrt­zertifiziert sind. Doch wenn wir diese Werkstoffe für andere Anwendungen und in neuen Kombinationen einsetzen, kommen Tests hinzu. Und die Entflammbarkeit ist nur ein Thema. Die Bauteile müssen beständig sein gegen Feuchtigkeit und Kondenswasser, gegen aggressive Reinigungsmittel, Insektizide, extreme Temperaturen, Vibrationen und mehr.

 

Sie beschäftigen sich mit Innovationen für die Flugzeugkabine. Welche Vorteile bietet dort die gedruckte Elektronik?

Seißler: Beim Projektstart vor zwei Jahren hatten wir zunächst eine optimierte Fertigung im Blick. Airlines wünschen sich eine individuelle Ausstattung der Flugzeuge. Das Corporate Branding soll sich in der Kabine widerspiegeln. Für den Flugzeugbauer ist es aber aufwendig, wenn sich der eine Kunde hier ein Display wünscht und der nächste dort etwas anderes, denn für konventionelle Elektronik müssen Kabel eingeplant und gelegt werden. Das geschieht oft noch manuell und dauert Wochen. Wenn wir die Leiterbahnen auf Folie drucken, können wir auf Kabel verzichten. Unser Ziel ist eine digitalisierte, automatisierte Produktion: eine modular aufgebaute Druckerstraße direkt neben der Fertigungslinie, die individuelle Wünsche in wenigen Stunden bis Tagen umsetzt, selbst wenn der Kunde sich in letzter Minute entscheidet.
Hahn: Mit gedruckter Elektronik können wir neue system­architektonische Konzepte verwirklichen. Wir konfektionieren die individualisierten Elektronikkomponenten und integrieren sie in das Kabinenmodul, ohne die Hardware des Flugzeugs verändern zu müssen. Damit bieten wir unseren Kunden noch mehr Möglichkeiten zur individuellen Ausstattung. Und zugleich reduzieren wir mit der gedruckten Elektronik das Gewicht.
Seißler: Außerdem brauchen wir weniger Platz, wenn wir für die Übertragung von Strom oder Daten flache Folien installieren statt Kabel – und davon gibt es im Flugzeug Tausende, die hinter der Verkleidung versteckt sind. Wenn wir diesen Raum einsparen, wird die Kabine größer und die Passagiere haben ein deutlich angenehmeres Flugerlebnis.

 

In welchem Stadium befindet sich Ihr Projekt?

Hahn: Wir arbeiten an ersten seriennahen Prototypen, an einem Anzeigenmodul für den Notausgang und für die Toiletten. Wir drucken im Siebdruckverfahren eine Silbertinte auf einen Polymerträger, den wir auf eine Bienenwabenstruktur aufkleben.

 

Verwenden Sie nur Silber oder verwenden Sie organische Tinten?

Seißler: Für das Infopanel verwenden wir Silbertinten. Bei anderen Prototypen, etwa in der Sensorik, beschäftigen wir uns auch mit organischen Tinten. Für Sensoren gibt es in der Luftfahrt extrem viele Anwendungen. In die Außenhaut integrierte Sensoren beispielsweise können Belastungen messen und Aufschluss darüber geben, wann ein Flugzeug den nächsten Überhol- oder Reparatur­zyklus braucht. In der Klimaüberwachung wiederum sind Temperatur- und Feuchtigkeitssensoren sinnvoll. Gedruckte Elektronik im Flugzeugbau reicht von organischen Leuchtdioden für die Kabinenbeleuchtung bis zu RFID-Antennen in der Fertigung, mit denen sich verfolgen lässt, wann ein Teil an welcher Produktionsstätte bereit zum Einbau ist.

Was kommt nach dem gedruckten Infopanel? Haben Sie
langfristige Visionen?

Hahn: Airbus baut nicht nur Passagierflugzeuge, sondern entwickelt auch Ideen für den zukünftigen innerstädtischen Verkehr. Nehmen Sie das Zukunftskonzept Pop.Up: Da geht es um Lufttaxis für Städte, um Flugaufsätze für autonome Automobile, um die Kombination aus Auto und Drohne. So sieht die Mobilität von morgen aus – und die gedruckte Elektronik soll das möglich machen.
Seissler: Da die Flugautos elektrisch betrieben werden, kommt die Gewichtsersparnis noch viel stärker ins Spiel. Da spielt jedes Kilogramm eine entscheidende Rolle.

Gedruckte Elektronik macht künftig tollkühne Ideen realisierbar. Doch wo klemmt es wirklich noch?

Seißler: Aktuell noch beim Thema Konnektoren. Zahlreiche Funktionen und Anwendungen lassen sich bereits auf Folie drucken. Die Folien müssen aber letztendlich an ein Strom- oder Datennetz angeschlossen werden. Dafür suchen wir noch überzeugende Lösungen, die den strengen Anforderungen der Luftfahrt entsprechen.
Hahn: Es ist so, dass wir uns im Flugzeugbau mit Cutting-Edge- Technologien beschäftigen. Vor diesen hohen Anforderungen herrscht in vielen Unternehmen eine gewisse Ehrfurcht. Wohl auch deswegen gibt es momentan noch eine Lücke zwischen dem, was wir in der Luftfahrt benötigen, und dem, was angeboten wird.

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