Decorative & Functional | Gedruckte Dekoration

Digitaler Dekordruck gewinnt Marktanteile

Wir sind umgeben von gedruckten Oberflächen. Beispiele finden sich auf dem Schreibtisch, dem Regal, dem Fußboden oder der Küchenarbeitsplatte. Der Großteil dieser Oberflächen wird noch immer über klassische Tiefdruckzylinder auf Dekorpapier gedruckt. Dekore auf Papier zu drucken geht auch digital. Schneller und flexibler. Das abschließende Konservierungsverfahren in Melaminharz ist das Gleiche, unabhängig davon, ob der Druck des Dekors digital oder analog erfolgte. Agfas Engagement im Dekordruck konzentriert sich auf den InterioJet für wasserbasierenden Inkjetdruck von Dekorpapier. Hermann Will interviewte Mike Horsten, bei Agfa für die Vermarktung des InterioJet weltweit verantwortlich, über Tücken und Chancen des Dekordrucks.

Auf diesem Drucksystem werden mit wasserbasierenden Tinten Dekorpapiere bedruckt, die zu Möbeloberflächen weiter verarbeitet werden
Auf dem Drucksystem InterioJet werden mit wasserbasierenden Tinten Dekorpapiere bedruckt, die zu Möbeloberflächen weiter verarbeitet werden.

? Seit mehr als zehn Jahren fokussieren sich die Hersteller von Digitaldruckern auf den Dekordruck im Innenbereich. Seit September 2021 sind Sie für die Vermarktung des InterioJet bei Agfa verantwortlich. Eine Rolle, die Ihnen auf den Leib geschrieben scheint, denn Sie haben jahrelange Branchenerfahrung. Die letzten Jahre als EMEA Business Manager HP Latex/HP Stitch bei Hewlett Packard, zuvor bei Mimaki und zuvor Mitbegründer von ColorGate und davor leiteten Sie Ihr eigenes Druckstudio. Was erschwert den Erfolg von Tintenstrahldruckern im Dekordruck?

HORSTEN: Wir sprechen im Inkjetmarkt eine andere Sprache als der klassische Dekordrucker, der seine Tiefdruckzylinder gravieren lässt und seine Prozessabläufe als Firmengeheimnis entwickelt hat. Die Mischung des Melamins, die ganze Chemie dahinter, ist etwas Individuelles und letztlich auch Geheimnisumwittertes. Eine Reproduzierbarkeit von Dekordrucken ist aufgrund dieser Gegebenheit nicht selbstverständlich. Jetzt kommen wir aus der digitalen Druckproduktion und schwärmen davon, dass man für den Druck von Laminatpapier mittels Inkjet keine Zylinder mehr benötigt, deren Herstellung etwa 8.000 € je Stück kostet. Damit stellen wir Strukturen in Frage, die seit Jahrzehnten erfolgreich sind. Beispiel: Im Dekordruck werden für Tapeten oftmals fünf Zylinder benötigt. Den hohen Grundkosten folgt allerdings dann auch ein äußerst lukrativer Meterpreis - also versucht man, dem Abnehmer eine große Menge zu verkaufen. Jetzt kommen wir und stellen diese Grundkosten für die Druckzylinder in Frage, können aber bei den Laufmeterkosten in der Wirtschaftlichkeitsberechnung von großen Chargen nicht annähernd mithalten. Klar, die digitale Produktion rechnet sich nur bei kleinen Chargen, damit jedoch hat der Unternehmer keine Erfahrung – wozu auch, wenn der Umsatz durch die Menge gemacht wird. Aber da ändert sich zwischenzeitlich einiges.

Der Druck von dekorativen Oberflächen ist im Digitaldruck seit annähernd 15 Jahren ein Thema. Ist Agfa mit dem InterioJet da zum richtigen Zeitpunkt in den Markt gekommen?

HORSTEN: Meine Arbeit für Agfa begann im September 2021. Das Unternehmen allerdings war bereits acht Jahre lang am Markt aktiv. Diese frühe Aussaat können wir jetzt ernten. Wir haben bereits eine Installation in Belgien, eine in Spanien, in Russland und in China. Und das ganz Spannende ist, dass die Unternehmen, die bereits eine erste InterioJet einsetzen, zwischenzeitlich schon eine zweite Maschine geordert haben. Das zeigt, dass die digitale Schiene als Abrundung zu den Großvolumen-Tiefdruckmaschinen sehr gute Zukunftschancen hat.

? Lässt sich daraus der ermutigende Schluss ziehen, dass der Inkjetanteil im Dekordruck steigt?

HORSTEN: Dekordruck für sich ist ein Wachstumsmarkt. Das Entscheidende ist, dass weltweit Jahr für Jahr etwa 22,5 Billionen Quadratmeter Dekordrucke im Jahr nachgefragt werden. Marktforscher sprechen davon, dass die jährlichen Zuwächse in Europa um 2,8% liegen. Individuelle oder auch firmenspezifische Oberflächengestaltung für Hotellerie, Industrie oder auch Interior-Design genießt aufgrund aktueller Trends große Aufmerksamkeit, was den Anteil der Inkjet-Produktion am Dekordruck stärkt. Der digitale Dekordruck macht weniger als 3 % des Gesamtbedarfs aus, daher glauben wir, dass ein großes Wachstum zu erwarten ist.

Das klingt sehr erfreulich. Dennoch dürfte der klassische Großformatdruckdienstleister gut beraten sein, von diesem Marktsegment aufgrund der Investitionskosten – ein InterioJet kostet etwa 1 Million Euro – die Finger zu lassen?

HORSTEN: Aus meiner Erfahrung heraus, kann ich nur dazu ermuntern, die regionalen Möglichkeiten auszuloten. Hat man beispielsweise ein Unternehmen in der Region, das Dekoroberflächen industriell produziert, dann kann man dort möglicherweise als digitaler Kompetenz-Partner eine erfolgreiche Kooperation eingehen. Ich kennen einen Fall in São Paulo (Brasilien). Dort hat sich ein Digitaldrucker als Partner für ein industriell aufgestelltes Dekor-Unternehmen etabliert und nach reiflicher Abwägung das Drucksystem InterioJet gekauft. Für den Industriepartner liefert er digital gedruckte Dekordrucke, um die eigene Maschine auszulasten. Sein Kerngeschäft jedoch sind Tische für Coca-Cola. Jahresproduktion 150 000 m2. Auf der eigenen Maschine druckt er also für Coca-Cola das Dekor für 150.000 Bartische. Die wetterfeste Verpressung mit den Melaminschichten erfolgt in höchster Qualität beim Geschäftspartner auf dessen industrieller Produktionsstraße.

So sichert ihm die Allianz mit dem Industriepartner einerseits die perfekt verarbeiteten Möbeloberflächen für seine Cola-Tische und andererseits ist er für das Industrieunternehmen der digitale Problemlöser bei kleineren Volumen. So lastet er den InterioJet, dessen Jahreskapazität bei etwa maximal 1.800.000m2 liegt, durch die Partnerschaft aus.

Wird die Stundenleistung des InterioJet mit 340 m2 bei den traditionellen Dekordruck-Unternehmen akzeptiert?

HORSTEN: Wir haben durchaus hin und wieder den Hinweis zu hören bekommen, dass die Geschwindigkeit sicherlich noch nicht ausgereizt ist. Ja, wir haben die Maschine auf diese Geschwindigkeit gedrosselt, um die Standzeiten der Druckköpfe zu optimieren. Das ist der eine Vorteil, der Andere ist die Organisation der digital erzeugten Drucke, deren Volumen in der Praxis im Digitaldruck oft sehr unterschiedlich ist. So kann die Zuordnung der wechselnden Aufträge auf der aufgewickelten, also der produzierten Rolle, durchaus zur logistischen Herausforderung werden. Beispielsweise haben die Dekorpapierrollen eine Länge von 5.000 Metern, bei Druckbreiten bis 225 cm wiegt eine solche Rolle bis 1.200 Kilogramm. Auf dieser bedruckten Rolle dann den Auftrag zu suchen, der mit weniger als 50 Laufmetern produziert wurde, stellt ein Unternehmen, das normalerweise in Produktionsmengen von 10tausenden von Metern denkt, vor neue Probleme.

All diese Details müssen wir in unseren Verkaufsgesprächen berücksichtigen – wir brauchen für die Erschließung eines komplexen Marktes einen langen Atem, doch die Erfolge sind deutlich sichtbar.

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